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Näher an die Wunder
Zum Gedichtband „Liebesmüh“ von Achim Wannicke
Für Achim Wannicke ist der Dichter Troubadur mit der Laute oder reisefreudiger Odysseus, der eben mal Kalypso hinter den Weiden an der Lahn trifft. Dabei reichen die Gedichte dem Leser die mythologischen und mittelalterlichen Anspielungen nicht gelehrtenhaft, sondern verführen in allen Dimensionen des Hörens, Sehens, Riechens, Fühlens und Schmeckens: Mit süßem Biss ins Fleisch / ganz toll vor Täuschung / sehen Augen nichts mehr was sie kennen, heißt es in der Sammlung LIEBESMÜH, wo Titel wie Näher an die Wunder oder Minne anno 1990 gleichsam ein poetisches Programm markieren. Aber noch in den leuchtendsten und wollüstigsten dieser Gedichte bleibt die poetische Reflexion spürbar, die Formen und Bilder genau kontrolliert: Nackt waren wir / die Worte nie.
Achim Wannicke gehört zu jenen Lyrikern, die Anfang der achtziger Jahre das sogenannte „Alltagsgedicht“ ablösten. Abkehr von der Umgangssprache, ein starkes Formbewusstsein und das Aufgreifen mythologischer Themen und Motive kennzeichnen seine poetische Sprechweise.
Zu üppigem Leben erweckt Achim Wannicke auch die bereits totgesagte Metapher: der Mundrand wird zum Drachenbrunnen, die Schulterbeuge zum nackten Königreich, das Männerherz zum Vogel ohne Lied.
Diese Liebesgedichte schreiben die Gedichtsprache Ingeborg Bachmanns weiter, - zeitgemäß, locker, glauben sie doch an die Liebe als existentielle Erfahrung:
Nabelabwärts tauschen wir uns / in meisterlicher Schwebe. / Nur Engel drehe wieder ab, / bei Sonnenaufgang, leicht wie Luft.
Prof. Dr. Michael Speier
( Hrsg. der Lyrikzeitschrift PARK )